Hans-Jürgen Lange: Spekulative Ansichten und ihre Scherben in Peru und Bolivien

(Erschien 2010 als Beigabe zu einigen Exemplaren von Katalog 4)

Es liegt in der Natur der Sache, dass selbst „aktuelle“ Reiseführer(1) der Realität hinterher hinken. Meist sind es die angegebenen Preise, die sich nach oben entwickelt haben. Im Fall Peru ist es bei den Sehenswürdigkeiten besonders der Staat, der kräftig an der Preisschraube dreht. So wurden die Eintrittsgelder für Museen und archäologische Stätten in zwei Jahren fast verdoppelt und bei dem Hauptdevisenbringer Machupicchu ist die Schmerzgrenze was Anfahrt(2) und Eintritt angeht (pro Person im Sep. 2009: 124 Sol etwa 31 Euro) noch lange nicht erreicht. Ich vermute, dass sich dies nach der aktuellen Naturkatastrophe noch weiter „verschärfen“ wird. Anderes ist im Gegensatz zu früheren Jahren durch das steigende Angebot günstiger geworden, so kostet ein Flug über die berühmten Nazca-Linien nur noch 80 US Dollar. Zu den kilometerlangen Linien und Scharrbildern in der Wüste hatten wir drei Bücher im Reisegepäck:

Maria Reiche „Geheimnis der Wüste“, Selbstverlag, 7. Aufl. 1989. Die in Peru hochverehrte Deutsche hatte die Erforschung der Nazca-Linien zu ihrer Lebensaufgabe gemacht und gilt als „wissenschaftliche“ Vertreterin.

Desweiteren den für seine Spekulationen bekannten Autor Erich von Däniken mit seinem Buch „Zeichen für die Ewigkeit. Die Botschaft von Nazca“, Goldmann Vlg. 1999 - und schließlich Carmen Rohrbach „Botschaften im Sand. Reise zu den rätselhaften Nazca-Linien“, Sierra 2000. Alle Bücher lassen sich flott lesen und inspirieren untereinander durch ihre sehr unterschiedlichen Blickwickel.Für Maria Reiche sind die Linien-Strukturen ein astronomischer Kalender, der auch Sonnenwendpunkte markiert und die Zeitpunkte für Aussaat und Ernte festlegt. Sie folgt damit dem amerikanischen Entdecker der Linien, Paul Kosok, dem sie ursprünglich auch assistierte. Auf die Interviewfrage der Autorin und Dokumentarfilmerin Carmen Rohrbach: „Beschreiben Sie uns doch bitte ihre Theorie des astronomischen Kalenders“ antwortete die betagte und damals noch lebende Maria Reiche: „Es ist keine Theorie, sondern Tatsache! Der Ausdruck ‚Theorie’ gefällt mir nicht. Wenn es so und so viele Sonnenwendlinien gibt, dann sind das Beweise.“ – Allerdings räumte sie in ihrem eigenen Buch ein: „Es ist nicht absolut sicher, ob eine astronomische Ausdeutung aller Linien möglich ist, da es solche gibt (unter ihnen zahlreiche Nord-Süd-Linien), die keinen am Horizont innerhalb dieser Zeitepochen erscheinenden Stern entsprochen haben können.“ Und selbst die Fotos, die eine Ausrichtung zweier Linien zur Sonnenwende am 21. Dez. dokumentieren sollen sind zweideutig, denn die Sonnenscheibe geht sehr deutlich neben den Linien unter. Die Differenz erklärt Maria Reiche mit dem Zeitabschnitt, der zwischen der „Errichtung“ und dem Heute liegt. Im ersten Jahrtausend n. Chr. soll die Sonne exakt in der „Linie“ untergegangen sein. Computergestützte Messungen des amerikanischen Prof. Gerald Hawkins ergaben, dass die von ihm untersuchten Linien bis auf Ausnahmen nicht auf Gestirnskonstellationen ausgerichtet sind. Aber selbst dies beweist letztendlich nichts, da überwiegend nur trapezförmige oder rechteckig Flächen untersucht wurden, die soviel Ähnlichkeit mit „Landebahnen“ haben. Hier zeigt sich ein Dilemma, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Literatur der Nazca-Linien zieht, eine widerspruchsfreie Erklärung für alle Linien, Muster oder Figuren gibt es nicht. Die weitergehende Hypothese von Maria Reiche, dass die Nazac-Tierfiguren einen eigenständigen Tierkreis im Jahresumlauf bilden fand wenig Beachtung, was aber nicht das kartografische Lebenswerk der Forscherin schmälert. Dies betont auch Erich von Däniken.

Ein altes magisches Amulett aus Peru, das vermutlich auch für magische Handlungen genutzt wurde.
Meine Großmutter würde den erfolgreichen Autor, der seine Bücher weltweit über 50 millionenmal verkauft hat, einen Filou nennen. Nach dem aufmerksamen lesen seines Buches kann man mit guten Gewissens sagen: Was Erich von Däniken für sich selbst in Anspruch nimmt, gilt nicht unbedingt für den Rest der Welt. Zu seiner Person zitierte er direkt am Anfang Truman Capote: „Erfolg ist so ziemlich das Letzte, was einem Vergeben wird.“ Das ist wohl wahr. Unwahr ist, dass der Erfolg einem Recht gibt. Als Beispiel mag hierzu die Datierung der Nazca-Linien dienen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen nutzten dafür einen aufgefunden Holzpflock, der zu Vermessungszwecken gedient hatte, Keramikscherben und abgestorbene Flechten unter den Steinen der Randbegrenzungen. Das ermittelte Alter der verschiedenen Quellen schwankt zwischen 190 v. Chr. bis 600 n. Chr., andere Werte konnten bisher nicht ermittelt werden. Für Däniken ist das nicht beweiskräftig genug, schließlich hätten Holz, Scherben und Flechten auf bewegten Steinen auch von „Touristen“ im 6. Jahrhundert nach Christus stammen können. Offensichtlich erscheint ihm die Datierung zu niedrig, denn er quittiert die Aussage mit einem „Wie alt, bitte?“, wobei der rüde „Unterton“ zwischen den Zeilen nicht zu überlesen ist. Er führt dazu weiter aus: „Peruanische Autoren reden gar von 4000 Jahren, als mit der ältesten Piste begonnen worden sei.“(3) Wie diese Behauptung in dem Reisemagazin der Aero Peru belegt wird, verschweigt Däniken. Bei Datierungen, die ihn und seine Sicht betreffen, legt er andere Maßstäbe an. Als er ein Bruchstück einer ungebrannten Tonfigur aus der Sammlung des Peruaners Dr. Janvier Carbrera auf eigene Kosten nach der Radiocarbon-Methode untersuchen ließ, erbrachte das Ergebnis die Datierung „modern“. Ursprünglich hatte Erich von Däniken ein Alter von 20, 50 oder sogar 100000 Jahren vermutet und dies auch in seiner unnachahmlichen Weise publiziert. Im Begleitschreiben des Schweizer Instituts hieß es: „Da es sich bei dem vorliegenden Material, wie Sie im Brief bereits erwähnt haben, um ungebrannten Ton handelt, bleiben für mich die Fragen offen, woher dieser Kohlenstoff stammt, zu welchen Zeitpunkt und in welchem Zusammenhang er in das Probenmaterial eingebracht wurde.“(4) Dänikens Erklärung ist verblüffend: Kakerlakenkot. Der Kohlenstoff stammt also von Kakerlaken „die sich massenweise zwischen Cabreras Figürchen tummelten.“(5) Eine zweite Probe wird von anderer Seite einer Röntgen- und Differental-Thermo-Analyse unterzogen. Das Ergebnis deutet ebenfalls auf ein „relativ junges Alter hin“. Dänikens Kehrtwendung dazu: „Persönlich mag ich nicht [sic!] recht daranglauben, dass Cabreras Figürchen sehr, sehr alt sind.“(6) Um auf den nachfolgenden 8 (!!!) Textseiten des Taschenbuchs indirekte Belege anzuführen warum die Figürchen doch sehr alt sein könnten. Entsprechende Schlussfolgerungen dazu überlässt Däniken aber dann dem „gläubigen“ Leser, er selbst tut das nicht, sondern suggeriert das nur. Eine von ihm gern genutzte Taktik, in die schon manch unbedarfter Kritiker getappt ist.(7) Der gesamte Einschub zu den Cabrera-Figürchen die nichts mit den Nazca-Linien zu tun haben umfasst mit Abbildungen 40 S. bei einem Buchumfang von 224 S. und endet nach der möglich doch „echt“ Auflistung so: „Bei Cabrera kann ich mir vorstellen, dass die Figuren das Produkt einer Schule sind. Kinder wurden in Geschichte unterwiesen und formten in Ton, was ihnen beigebracht wurde.“(8) Däniken misst mit zweierlei Maß, unangenehm deutlich wird das dort, wo andere für ihn nur „hirnrissig“ sind, „Unsinn verzapfen“ oder sich als „Schlaumeier“ hervor tun. Schade sind auch seine Übertreibungen: „Gelang es mir, aus einem Flugzeug 1000 hervorragende Aufnahmen zu machen.“ Um eine seiner „phänomenalen Entdeckungen“ zu bebildern wird im Buch eine unscharfe, farbige Doppelseite und eine arg verwackelte schwarzweiß Aufnahme abgebildet. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass man den Autor nicht davon freisprechen kann, an der Zerstörung der Nazca-Linien indirekt beteiligt zu sein. Der erwähnte Peru-Reiseführer schreibt: „Das Aufsehen, das Däniken mit seinem Buch (aus den 60er Jahren) erregte, wirkte sich nachteilig auf die Linien aus. Viele Besucher fuhren mit Allradfahrzeugen kreuz und quer durch die Wüste auf der Suche nach den Linien und richteten beträchtlichen Schaden an den empfindlichen Wüstenzeichnungen an.“

Carmen Rohrbachs Buch ist da vergleichsweise ausgewogen. Die Autorin verknüpft Leben und Werk von Maria Reiche mit ihrem persönlichen Erleben und geht beim hinterfragen der verschiedenen Nazca-Theorien ganz eigene Wege. So fragte sie einen Bauern: „Ob er sich vorstellen könne, dass die Linien den Stand von Sonne, Mond und Sternen am Himmel markieren und man so den günstigsten Zeitpunkt für Aussaat und Ernte bestimmen kann? ‚Nein!’ so etwas komisches könne er sich nicht denken. ‚Wozu denn Linien auf der Erde?’ Er brauche nur zum Himmel schauen und könne genau vorhersagen, ob es ein gutes Jahr werde mit viel Regen in den Bergen.“(9) Und bei einem Sammeldepot für Baumwolle fragt sie einen Mann nach den Linien. „Er meint, sie zeigen an, wo Wasser zu finden sei. [...] Meinen Einwand, ich hätte vom Flugzeug aus gesehen, dass die Zeichen nach allen Himmelsrichtungen deuten lässt er nicht gelten. Er bleibt dabei, dass sie unterirdisches Wasser anzeigen, das von den Anden herab als Strom unter der Wüste fließt.“ In der Tat gibt es im Nazcatal ein weitverzeigtes, unterirdisches Kanalnetz, das bis zum heutigen Tag selbst dann Wasser führt, wenn die Flüsse völlig ausgetrocknet sind. Dieses uralte Kanalnetz ist in ganz Amerika einzigartig, und da bekannte Tunneleinstiege auch bei Nazca-Linien enden, könnte durchaus ein Zusammenhang bestehen. Angenehm ist in diesem Zusammenhang, dass Carmen Rohrbach stets das Dokumentarische ihrer Erfahrungen in den Vordergrund stellt, ihr fehlt vollständig der missionarische Eifer nach „der“ Erklärung. Ich selbst hatte beim lesen aller hier genannten Bücher das Gefühl es könne vielleicht verschiedene, sich überlagernde Bedeutungen geben. Dafür spricht, dass die „Herstellung“ des Gesamtkomplexes mehrere hundert Jahre dauerte. Selbst unschwärmerische Archäologen halten eine Epoche von 700 Jahren nicht für unwahrscheinlich. Da erscheint es natürlich, dass die wechselnden Generationen die „Ausrichtung“ und den Sinn der Linien und Flächen änderten und bestehende Traditionen erweiterten sowie neues hinzufügten. Dies beinhaltet aber auch die Frage, warum überhaupt mit den Arbeiten für die Linien und Anlagen begonnen wurde? Meist wird das nach heutigen Denkmustern interpretiert, bei denen die Verwertbarkeit im Vordergrund steht, wie z.B. ein astrologischer Kalender für die Landwirtschaft oder Prozessionswege für rituelle Umzüge. Bei Däniken ist das auslösende Ereignis, um jetzt seine Nazca-Theorie zu nennen, die Landung Ausserirdischer.(10) Die entstehenden Muster bei der Landung, wurden nach dem Abflug der Götter nachgeahmt und zu einem „Kommt-zurück-Kult“ mit Anflugs- und Navigationshilfen. Aber es wäre nicht Däniken, wenn er sich darauf festlegen würde, einige Seiten weiter heißt es: „Sicher ist lediglich, dass es in vorinkaischen Zeiten flugzeugähnliche Modelle gab und sich diese als perfekt flugtauglich erwiesen. Sicher ist ferner, dass in Süd- und Mittelamerika ein Götterkult existierte, der mit dem Fliegen zu tun hatte. Nazca und alle himmelswärts gerichteten Figuren bezeugen dies. [...] Woher kamen diese Götter? Handelte es sich lediglich um irdische Flieger aus dem asiatischen Raum, die den südamerikanischen Indios technisch überlegen waren?“(11) Dies zeigt ganz sicher eines, wie wichtig die Datierungsfrage für Däniken ist. Denn in historischen Zeiten hat es keine fliegenden Vimanas aus der indischen Mythologie gegeben. Sicher ist auch, dass unter den bekannten Umständen und Fakten, es keine belegbare Antwort über den „Auslöser“ geben kann. Über das „Warum“ könnte es eine Antwort geben, wenn man sich von der Vorstellung der praktischen Nutzung trennt.

Die Nasca-Ebene, eine der trockensten Regionen der Erde, vom Flugzeug aus.
Blick aus dem Flugzeug auf die Nazca-Ebene -> Klick.

Als ich selbst die Nazca-Ebene vom Flugzeug aus sah, beeindruckten mich neben dem Liniennetz zuerst die großen Pisten und am wenigsten die berühmten Tierfiguren, die ich eher als schmückendes Beiwerk empfand. Die Erklärung, dass diese „Bilder“ nichts anderes als Sippenzeichen sind erscheint mir deshalb als zutreffend. Aber ganz offensichtlich wollte man hier etwas „Überirdisches“ schaffen. Dieser Aspekt muß besonders wichtig gewesen zu sein, denn die Schöpfer waren der Meinung, dass ein „überirdisches“ Werk keine Spuren von menschlicher Arbeit zeigen darf. Und man findet auch nirgends eine Fußspur von den Arbeitern, obwohl man noch jetzt, nach über 60 Jahren, die Fußspuren vom Entdecker Paul Kosok sehen kann. Ganze Heerscharen müssen nur auf Holzbrettern die Wüste betreten haben, um so die empfindliche Oberfläche unverletzt zu lassen. Um es direkt zu sagen, ich halte die Nazca-Linie für steinerne Gebete, die kilometerlang ins Nichts und im übertragen Sinn in die Unendlichkeit führen. Ihre „Errichtung“ war der Kult, das ist schon alles. Ein Kult, der ursprünglich über die Herstellung und Anlage hinaus, erst einmal keine weitere Nutzung beinhaltete, eine Stein gewordene Verbindung mit dem Unbegreiflichen. Ein beständiges Gebet, das über die Zeiten hinweg erhalten blieb, was sicherlich auch beabsichtig war. Was mich fasziniert, ist die konzeptionelle Reinheit dieser Idee. Überirdisch waren bei den Bildern selbst die vermessungstechnischen Übertragungen und so wird es wohl auch für den Großteil der damaligen Bevölkerung gewesen sein, denn zu sehen gab es vom Boden aus ja nichts. Die Theorie dies sei für wirkliche Flieger errichtet, greift zu kurz, die höheren Sphären sind mehr als der Luftraum über Nazca. So wie die Mathematik, die solche Schöpfungen erst ermöglicht, ihrem Wesen nach überirdisch ist, weil sie normalerweise im alltäglichen Leben, eine nicht erfahrbare Realität ist. Interessant ist ebenfalls, dass die Nazca-Figuren noch nie ästhetisch bewertet wurden. Sie zeigen nach hoher zeitloser Abstraktion eine Wandlung, die über weniger gelungenes bis auf das Niveau von unsicheren Kinderkritzeleinen herabsinkt. Gerade alle schrägstehenden Bilder an den Berghängen zeigen die Endpunkte dieses Verfalls durch unterbrochene Linienführung und falsche Proportionen. Es sind all jene Bilder die für Däniken wichtige „Antennenwesen“ darstellen und die er nur von anderen als „Astronauten“ bezeichnen lässt. Im Vergleich zu der strengen Formgebung, sind dies die jüngsten und zuletzt entstandenen Nazca-Figuren. Mit der „Entwicklung“ von der Linie, zur Fläche und zu den Bildern, sinkt unabhängig von der Degeneration auch der Grad der Abstraktion. Danach entstand nichts mehr.Weitgehend unbeachtet blieb auch die gigantische Menge der bewegten Steine und des „Abraums“, was in einer glühendheißen Wüste kein Kinderspiel war. Mir kam das Wort Sklavenarbeit in den Sinn. Vielleicht haben wirklich Sklaven oder leibeigene Bauern im Frondienst diese öde Arbeit gemacht, um den visionären Ideen der Vordenker Form zu geben.Ein Führer zum Gräberfeld Chauchilla in der Nähe von Nazca erzählte uns, die Inka hätten den Ort für Verbannungen und Deportationen genutzt. Das Wort „Nazca“ soll aus „Nana“ entstanden sein, im Ketschua der Indios bedeutet dies Schmerz und Krankheit. Dazu passend schreibt Carmen Rohrbach: „Für die Menschen der Nazca-Kultur gab es einen Zusammenhang zwischen Tod und Fruchtbarkeit. Pacha-Mama - so nennen die Indianer in den Anden noch heute die ‚Muttererde’ – braucht Blut um die Felder fruchtbar zu machen. Gefangene wurden häufig abgebildet mit Strömen von Blut, die aus ihren Körpern fließen. Vielleicht wurden die Kriege vor allem geführt, um Menschenopfer zu bekommen.“(12) Ich hatte beim besichtigen der verschiedenen archäologischen Stätten und Museen nie das Gefühl, dass die Ureinwohner besonders menschenfreundlich oder human waren. Es ist die gängige Ansicht, dass die spanischen Konquistadoren für den Untergang der südamerikanischen Kulturen verantwortlich sind, dies ist zwar richtig, aber wie so oft nur die halbe Wahrheit. Mel Gibson, der die Vorgeschichte zur Eroberung in „Apocalypto“ (2006) verfilmt hat, stellt vor die Handlung die Worte des US-amerikanischer Philosophen William James Durant (1885-1981): „Eine große Zivilisation kann erst von außen erobert werden, wenn sie sich von innen bereits selbst zerstört hat.“(13)

Einige Scherben, die wir selbst in Tihuanaku am Titikakasee gesammelt haben!

Im Gegensatz zu Nazca ist die prähistorische Stadt Tihuanaku in Bolivien zwar frei von aktuellen Spekulationen, aber das war nicht immer so. 1940 sollten in einer geplanten Ahnenerbe-Expedition der SS die Ruinen und die Umgebung unwiderlegbare Beweise für die Welteislehre von Hanns Hörbiger liefern. Die Welteislehre ist eine Kosmogonie, die auf dem Wechselspiel von Feuer und Eis basiert. Ein wichtiger Bestandteil sind dabei die widerkehrenden „Einstürze“ des Eis-Mondes. Der sich nähernde Mond löst durch die stärker werdende Anziehungskraft und seine Rotation eine katastrophale Gürtelhochflut aus, bis er selbst zerbricht und auf die Erde stürzt.(14) Der Kasseler Regierungsbaurat Edmund Kiss sah in dem Sonnentor von Tihuanaku einen astronomischen Kalender, der auch den letzten Mondeinsturz verzeichnet. Wichtig sind für Kiss die in seinem Buch „Das Sonnentor von Tihuanaku“ erwähnten schiefen Strandlinien unweit des Titikasees, der selbst fast 4000 Meter hochliegt. Bis heute ist diese geologische Anomalie nicht ganz geklärt, denn dass der riesige See einmal von Meerwasser gespeist wurde ist unbestritten, so leben dort z.B. Seepferdchen, die in Binnengewässern niemals zu finden sind. Tihuanaku liegt in der Nähe des Sees und war sogar einmal Hafenstadt. Wir haben den südlichen Teil des Binnenmeers zwischen Bolivien und Peru umrundet und konnten an keinem der Berghänge oder Felsformationen die besagten schiefen Strandlinien sehen. Wie bei allen Aussenseiter-Theorien ist die Datierung der Dreh- und Angelpunkt, für Kiss ist Tihuanaku die älteste Stadt der Welt und er taxiert ihr Alter mit 100 000 Jahren. Heutige Wissenschaftler können nur max. 2200 Jahre belegen. Fundstücke wie die aufgefundenen Bronzeklammern zum Verbinden der Mauersteine lassen mit der C14 Methode genaue Zeitangaben plus/minus 80 Jahre zu. Wertvoll bleibt das Buch(15) von Edmund Kiss, weil es sehr schöne Bauzeichnungen und Rekonstruktionen enthält. Hier beginnt ein Trauerspiel, denn was man heute eingezäunt und gegen teuren Eintritt besichtigen kann, ist eine „aufgeräumte“ Grabungsstätte mit einer nachlässig wiederhergestellten Architektur. Leider hat man eher eine Touristenattraktion im Sinn als die damalige Realität. Die Fehler, die hier gemacht wurden und noch werden sind wahrscheinlich irreparabel. So steht das wiedererrichtete Sonnentor nicht mehr an seinem alten Platz und hat mit dem umgebenen Komplex nichts zu tun. Das vertiefte Becken mit den plastischen Menschenköpfen im Maurerwerk war ursprünglich leer. Die drei aufgestellten Stelen, die jetzt ein künstliches Zentrum bilden, haben dort nichts zu suchen. Auch anderes, was Kiss in seinem Werk fotografierte und dokumentierte, ist unauffindbar, wie die seltsamen „Wohnstätten“ der Zwerge, die Schutz vor den herabstürzenden Mondbruchstücken bieten sollten. Was bleibt, sind mehr Fragen als Antworten.

Mit der Nazca-Kultur gibt es sogar Gemeinsamkeiten, das angegliederte Museum zeigt ebenfalls eine ganze Reihe von deformierten Schädeln und einige Schädelöffnungen. Warum beides auch in anderen Vorinkakulturen verbreitet war und bei anderen nicht, bleibt dunkel. Erich von Däniken empfiehlt, im Vorgriff auf den Film Indiana Jones „Der Kristallschädel“, Untersuchungen ob wirklich alle eiförmigen Langschädel irdischen Ursprungs sind.

 

1 Frank Herrmann: Peru-Westbolivien. 2. vollständig überarbeitete Aufl. 2007

2 Ist nur mit der teuren Peru-Rail möglich.

3 Gomez, Marcela: El Misterio de la Pama. In: Magazin “Aboard” Aero Peru, Feb. 1992

4 Erich von Däniken: Zeichen für die Ewigkeit, S.88

5 dito S.88

6 dito S.90

7 dito S.16f. Zu der “Schlitzohrigkeit” auch Carmen Rohrbach: Botschaften im Sand S.32-34

8 dito S.99

9 Carmen Rohrbach: Botschaften im Sand S.121

10 Erich von Däniken: Zeichen für die Ewigkeit, S.168f

11 dito S.181

12 Carmen Rohrbach: Botschaften im Sand S.96f

13 Eine Variation aus dem Epilog zu Caesar und Christus (Die Geschichte der Zivilisation, Bd. 3), Bern 1949.

14 Literatur zur Welteislehre: www.antiquariatlange@web.de

15 Kiß, Edmund: Das Sonnentor von Tihuanaku und Hörbigers Welteislehre. Leipzig, [1937]


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