Einige Worte zu Heinrich Tränker und seiner Bibliothek

(Mit unserem 13. Antiquariatskatalog konnten wir einen grossen Teil der ehemaligen Büchersammlung von Heinrich Tränker anbieten. Folgender Text gab die Einleitung in den Katalog).

 

Der Okkultist und Antiquar Heinrich Tränker (1880-1956) - aus dessen Vorbesitz wir Ihnen hier etwa 1000 Bücher anbieten können - ist heute vor allem für sein 1922 zusammen mit Karl Germer (1885-1962) begründetes „Collegium Pansophicum“ und die Buchreihe „Pansophia“ bekannt.

Der Einband des seltensten 5. Bandes der Pansophia-Reihe: Das magische Werk der "Großen weißen Bruderschaft" von Aleister Crowley. Dieser Band ist als einziger nummeriert.

Tränkers „pansophische“ Bewegung bestand allerdings bereits davor. Erste Anfänge gab es um 1917, die ersten Pansophen waren Theosophen aus der I.T.V. in Leipzig, der auch Tränker schon früh angehörte (Internationale Theosophische Verbrüderung, eine 1897 von Franz Hartmann gegründete Organisation).

 

Die daraus entstandene pansophische Loge, in der Tradition der Rosenkreuzer, ist von den mystischen Erfahrungen einer göttlichen oder absoluten Wirklichkeit nicht zu trennen, denn Tränker war der Meinung, dass die Geschichte der Rosenkreuzer gleichzeitig eine Geschichte der Mystik sei.

Diese Sichtweise war für ihn eng verbunden mit den Grundlagen der Alchemie, der er in diesem Zusammenhang stets besondere Aufmerksamkeit schenkte. Er betrachtete die Transmutation der Metalle nur als eine Verwandlung im geistigen Sinne und folgerte daraus, dass alle echten Alchemisten gleichzeitig Rosenkreuzer und Sucher nach der letzten großen Naturerkenntnis waren. Eine Weltanschauung, in der „Rosenkreuzertum und Pansophie untrennbare Begriffe sind, dass Pansophie das höchste und letzte Ordensgeheimnis war und nicht die Lehre des Christentums. Alle Forscher haben Rose und Kreuz im Sinne von Luthers Wappen als Symbole christlicher Heilslehren gedeutet, während hinter diesen Symbolen sich rein pansophische, biozentrische Mysterienlehren verbargen, denen die Rosenkreuzer als Alchemisten, Kabbalisten, Magier und Mystiker auf den Grund gekommen waren.“

 

Auf dem Weg zu diesen letzten Erkenntnissen waren für Tränker die tiefe Naturbetrachtung und das Wunder alles Lebendigen eine wichtige innere Schulung. So zog er um 1921 mit seiner Frau von Leipzig nach Hohenölsen bei Weida in Thüringen, um sich auf dem Land in aller Ruhe dem Aufbau seines „Collegium Pansophicum“ widmen zu können. „Wer immer in der Welt leben muss, kann sich unmöglich von allem Weltlichen absorbieren. Im lauten Geräusch ist es unmöglich [...] zum Nachdenken und zur weisen Selbstbesinnung zu kommen oder die Stimme des Genius zu vernehmen.“

 

Wichtigster Grundsatz und erste Regel auf seinem pansophischen Weg war „Wisse und studiere alles!“ Diesen Anspruch Tränkers an seine Schüler nach enzyklopädischem Wissen spiegelt auch seine Bibliothek in anschaulicher Weise wieder.

Zuerst sollte sich der Schüler der Geschichte aller Länder und Völker zuwenden. Nach dem „Grundlagenstudium“ der „Weltgeschichte“ waren für Tränker auch weniger bekannte Werke, die der Schüler in Bibliotheken mühevoll suchen musste, unumgänglich. Neben freimaurerischen, pädagogischen, philosophischen und okkulten Werken, ist für ihn das wichtigste das „vergleichende Religionsstudium aller bekannten Religionen der Welt.“ Die Konfession spielte für die Mitgliedschaft in der Pansophie keine Rolle, Atheisten aber lehnte Tränker als Schüler ab.

 

Bei den empfohlen Philosophen, deren Bücher in seiner eigenen Sammlung entsprechend vertreten sind, verweist er auf Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Oken, Schopenhauer, Nietzsche und besonders Karl Christian Friedrich Krause. Unter den weiteren Büchern, die Tränker explizit nennt, befinden sich u.a. natürlich die Werke von Johann Amos Comenius (1592–1670), der den Begriff „Pansophie“ begründet hat, daneben die Predigten von Johannes Tauler, die Werke Johann Baptist Kernig, der Rosenkreuzer-Roman „Zanoni“ von Eduard Bulwer Lytton oder „Die Praxis der alten türkischen Freimaurerei“ von Rudolf Freiherr von Sebottendorf.

 

Im Sommer 1923 bekam Tränker, wahrscheinlich durch eine Bestellung des gerade erschienenen ersten Bandes der Pansophia Reihe, Kontakt zu Frater Achad (d.i. Charles Robert Stansfeld Jones, 1886-1950), der als „magischer Sohn“ von Aleister Crowley gilt. Beide waren Mitglied im O.T.O. und hatten zu dieser Zeit den X° inne. Über den amerikanischen Logenbruder Achad ergingen mehrere Einladungen Tränkers an Aleister Crowley, ihn doch in Thüringen zu besuchen. Crowley, der ebenfalls den X° besaß, nahm 1925 die Einladung schließlich an.

Er wollte in der Nachfolge von Theodor Reuss die nunmehr unbesetzte Führungsposition des internationalen O.T.O. übernehmen und hoffte, dass die Deutschen ihn dabei weitreichend unterstützen würden. Tränker, der im Vorfeld noch verkündete hatte, er könne für das „Große Werk“ in 48 Stunden 100 000 Mark beschaffen, machte, nachdem er Crowley und sein Gefolge 35 Tage lang beköstigt und beherbergt hatte, einen Rückzieher. Hinzu kommt, dass Tränker erst wenige Tage vor dem Besuch die extra angefertigte Übersetzung des „Liber Al Vel Legis“ von Crowley gelesen hatte und von der dämonischen Besessenheit der beiden letzten Teile entsetzt war.

 

So scheiterten Crowsleys finanzielle Forderungen und seine Weltheilandspläne in „Hohenölsen“ bzw. bei dieser sogenannten „Weida-Konferenz“. Was in weiterer Folge dazu führte, dass die Berliner pansophische Loge zerriss und Eugen Grosche alias Gregor A. Gregorius (ca. 1888-1964) mit einem großen Teil ihrer Schüler 1926 die magisch-okkulte Loge „Fraternitas Saturni“ ins Leben rief, welche – wie der O.T.O. - das thelemitische Gesetz ("Tue, was du willst") von Aleister Crowley übernahm.

 

Tränkers Pansophie bestand und entwickelte sich nichtsdestotrotz weiter, neben verschiedenen deutschen Logen gab es bzw. entwickelten sich auch Ableger in Wien, Amerika und sogar eine kleine Gruppe in Shanghai.

Zum weitgehenden Erliegen der „pansophischen Arbeit“ kam es erst mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten bzw. im Verlauf des Weltkrieges. Danach versuche Tränker die Bewegung wieder aufzubauen und fand einen begeisterten Anhänger in Walter Studinski alias Waltharius (1905-1995). Doch Tränker war mittlerweile alt geworden, schließlich an Demenz erkrankt starb er am 22.5.1956 in Berlin. Als noch weitere Protagonisten verstarben, ging mit ihnen auch die Pansophische Bewegung zu Ende.

Die oben genannte unangezapfte Geldquelle, auf die Crowley gehofft hatte, war Tränkers wertvolle Büchersammlung, die er seltsamerweise kurz nach dem Bruch mit „Meister Therion“ in großen Teilen an das bekannte Antiquariat Theodor Ackermann in München verkaufte. Die Bände wurden zwischen 1926-1928 ohne Tränkers Namen zu nennen in den bis heute geschätzten fünf Katalogen 594-97 und 599 angeboten (nur der kleinere Teil der dort angeboten Titel stammt aus den genannten Sammlungen von Richard Wedel und Gabriel von Max).

Doch dem leidenschaftlichen Bücherliebhaber Tränker gelang es mit der Zeit die Lücken wieder etwas zu füllen.

 

Die hier angebotene Tränker-Bibliothek umfasst einen grossen Teil jener Werke, die sich nach Kriegsende in Ost-Berlin noch in seinem Besitz befanden, deutlich gekennzeichnet durch den Stempel „Heinrich Tränker Berlin-Pankow Grunowstr. 21“ oder „Heinrich Tränker Berlin-Karow Busonistraße 16“. Erstaunlich ist dabei die Bandbreite der Themen, die seinen allumfassenden, pansophischen Anspruch nach Wissen dokumentieren. Und obwohl leider etwa ein Viertel der Titel nicht mehr vorhanden ist, finden sich unter den Bänden immer noch einige seltene Werke.

 

(Diese Zusammenfassung basiert auf der ausführlichen Biographie: „Heinrich Tränker als Theosoph, Rosenkreuzer und Pansoph. Von Volker Lechler unter Mitarbeit von Wolfgang Kistemann. Stuttgart, Selbstverlag 2013“. Zu erwerben direkt beim Autor unter www.magie.de).


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